Z Audiol 2021; 60 (3) 104–107 – Mühler |
Registrierung stationärer Potenziale des auditorischen Systems (ASSR) in Echtzeit mit einem Lock-in-Verstärker
Recording of auditory steady-state evoked responses (ASSR) in real-time using a lock-in amplifier
Roland Mühler Abteilung für Experimentelle Audiologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Zusammenfassung: Stationäre Potenziale des auditorischen Systems (ASSR) findet man bei periodischer Stimulation des Hörsystems im EEG-Spektrum als Spektrallinien mit exakt der Reizrate. Benutzt man zur Trennung von Signal und Störung die für transiente Potenziale übliche Mittelung reizsynchroner EEG-Abschnitte, wird die besondere Eigenschaft der stationären Potenziale, die exakte Kenntnis ihrer Frequenz, nicht beachtet. Ein Monitoring der ASSR in Echtzeit ist bei Anwendung des Mittelungsverfahrens nur eingeschränkt möglich. Diese Arbeit greift eine Idee von Schacham et al. [1] auf und beschreibt einen experimentellen Aufbau, der es erlaubt, stationäre Potenziale des auditorischen Systems mithilfe eines kommerziellen Lock-in-Verstärkers (Stanford Research 830) in Echtzeit darzustellen. In einem Lock-in-Verstärker wird das verrauschte Nutzsignal mit einem Referenzsignal mit der Frequenz des Nutzsignals multipliziert. Ein Tiefpass eliminiert alle nicht zur Nutzfrequenz synchronen Rauschanteile, sodass am Ausgang des Lock-in-Verstärkers eine dem Nutzsignal proportionale Gleichspannung anliegt. Das hier erstmals vorgestellte Messprinzip eignet sich für die Darstellung stationärer evozierte Potenziale bekannter Frequenz besonders gut. Für Chirpreize mit 40 pps und 50 dB nHL Reizpegel wurden an einer erwachsenen normalhörenden Probandin erfolgreich Amplituden-Zeit-Verläufe mit Zeitkonstanten von wenigen Sekunden registriert. Stichwörter: evozierte Potenziale, stationäre Potenziale, ASSR, Lock-in-Verstärker Abstract: Human auditory steady-state responses (ASSRs) are represented in the Electroencephalogram (EEG) by single spectral lines at the stimulus repetition rate. To increase the small signal-to-noise ratio of these responses, commercial ASSR systems usually average several segments of the EEG signal prior to be converted from the time domain into the frequency domain. The averaging process however does not allow for a recording of ASSR in real time. This paper describes an experimental setup which replaces averaging and frequency analysis by a lock-in amplifier. Lock-in amplifiers are widely used in experimental physics to extract small signals of known frequency from an extremely noisy background. A lock-in amplifier multiplies the (noisy) input signal by a reference signal. Subsequent integration with a time constant of a few seconds results in a DC signal. In our setup, with a reference signal at the same frequency as the stimulus repetition rate, the DC output is proportional to the ASSR amplitude.
Auditory steady-state responses were evoked in one normal hearing female adult by presenting wide-band chirp stimuli at 40 Hz repetition rate and 50 dB nHL presentation level through an insert earphone. The amplified and band pass filtered EEG signal was fed to the input channel of a Stanford Research Type 830 lock-in amplifier. A reference signal phase locked to the stimulus was fed to the amplifier’s reference input. The DC output was maximized by manually shifting the phase of the reference signal. A Digital Multimeter (Keysight DMM34460A) and a Data Acquisition Application (Keysight BenchVue) were used to record the time course of the DC output proportional to the ASSR amplitude. Switching the acoustical stimulus on and off periodically, the DC output follows the response amplitude in real time. Typical examples for time constants of 1 s and 3 s are presented.
This paper presents a feasibility analysis of a recording setup for auditory steady-state responses using a lock-in amplifier. The proposed method could be of some interest for intraoperative monitoring of the auditory nerve during implantation of middle ear protheses, neurosurgical procedures, and for brain-computer interfaces (BCI). Keywords: auditory steady-state responses, ASSR, lock-in amplifier
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Z Audiol 2021; 60 (3) 108–112 – Steffens/Steffens |
Bestimmung der Signifikanz von Veränderungen der Hörschwellen bei mehrfacher Messung eines Tonschwellenaudiogramms
Determination of the significance of changes in hearing thresholds with multiple measurements of an audiogram
Thomas Steffens1, Lisa Marie Steffens2 1Universitäts-HNO-Klinik Regensburg 2Medizinische Fakultät der Universität Bonn
Zusammenfassung: Für diagnostische und gutachterliche Aussagen über intraindividuelle Veränderungen der Tonhörschwellen gegenüber Vorbefunden ist eine statistische Signifikanzanalyse unverzichtbar. Sie basiert darauf, dass Abweichungen der Tonhörschwellen mit einer berechenbaren Wahrscheinlichkeit zufällig auftreten können. Dem gegenüber stehen systematische Änderungen von Hörschwellen aufgrund tatsächlicher Veränderungen des Gehörs, des Testsystems oder der Testmethodik. Auf Basis des bewährten Modells des Zufallseinflusses auf Ergebnisse eines Bernoulli-Prozesses, der mit den Eigenschaften der Binomialverteilung quantifiziert werden kann, werden unterschiedliche Rechenverfahren für unabhängige und abhängige Zufallswahrscheinlichkeiten und ein- oder zweiseitiger Signifikanzprüfung erläutert. Mit den hier vorgestellten Rechenwegen, Beispielen und Tabellen zur Zufallswahrscheinlichkeit von Änderungen im Tonschwellenaudiogramm können statistisch signifikante Hörschwellenveränderungen mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p ≤ 0,05 erkannt werden.
Stichwörter: Tonschwellenaudiogramm, Psychoakustik, Wahrscheinlichkeit, statistische Dateninterpretation, Biostatistik Abstract: A statistical significance analysis is indispensable for diagnostic and expert statements about intraindividual changes in pure-tone hearing thresholds compared to previous findings. It is based on the fact that deviations of thresholds can occur randomly with a calculable probability. This contrasts with systematic changes in hearing thresholds due to actual changes in hearing, test system, or test methodology. Based on the well-established model of the random influence on results of a Bernoulli process, which can be quantified with the properties of the binomial distribution, different calculation methods for independent and dependent random probabilities and one- or two-sided significance testing are explained. With the calculation methods, examples and tables presented here for the random probability of changes in the pure-tone audiogram, statistically significant hearing threshold changes can be detected with a probability of error of p ≤ 0.05. Keywords: Pure-tone audiometry, probability, statistical data interpretation, biostatistics
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Z Audiol 2021; 60 (1) 12–14 – Balji/Müller/Fröhlich/Polterauer/Dziemba |
Elektrisch evozierte Potentiale des auditorischen Systems
Electrically evoked potentials of the auditory system
Izet Baljić1, Alexander Müller2, Laura Fröhlich3, Daniel Polterauer4, Oliver C. Dziemba5 1Helios Klinikum Erfurt, Audiologisches Zentrum, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Plastische Operationen, Erfurt 2Vivantes Klinikum im Friedrichshain, HörZentrum Berlin (Audiologisches Zentrum), Klinik für Hals-, Nasen-, und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Plastische Operationen, Berlin 3Universitätsklinikum Halle (Saale), Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale) 4LMU Klinikum, Funktionsbereich CI, Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, München 5Universitätsmedizin Greifswald Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Greifswald Zusammenfassung: Die Registrierung elektrisch evozierter Potentiale des auditorischen Systems gewinnt in der klinischen Praxis zunehmend an Bedeutung. Bereits seit vielen Jahren zählt die Messung elektrisch evozierter Summenaktionspotentiale über das Cochlea-Implantat zum unverzichtbaren Bestandteil audiologisch-technischer Diagnostik im Rahmen einer qualitätsgesicherten Cochlea-Implantat(CI)-Versorgung. Nicht nur während der Operation, sondern auch im postoperativen Verlauf können damit wertvolle Informationen gewonnen werden. Noch nicht so verbreitet, jedoch an einigen Einrichtungen schon länger im Einsatz, ist die Ableitung elektrisch evozierter Hirnstammpotentiale über das CI. Diese Methode kann intra- und postoperativ erfolgen und erlaubt die objektive Beurteilung der Erregungsverarbeitung bis in den Hirnstamm, wodurch prinzipiell eine retrocochleäre Diagnostik realisiert werden kann. Eine entsprechende Modifizierung des Mess-Setups lässt auch die Registrierung der kortikalen Potentiale zu. Damit ist die Abbildung der zentralen auditorischen Wahrnehmung und Verarbeitung sowie die Reifung auf höherer Ebene des Hörsystems möglich. Wenn nicht das CI, sondern ein adäquater Stromstimulator für die Generierung des elektrischen Reizes und eine geeignete Stimulationselektrode für seine Applikation herangezogen werden, können Hirnstamm- und Hirnrindenpotentiale noch präoperativ ausgelöst und registriert werden. Insbesondere bei fehlenden Hörresten steht somit auch eine Option zur objektiven Prüfung der elektrischen Stimulierbarkeit der Hörbahn zur Verfügung. Ziel dieses Beitrages ist es, eine kompakte Übersicht über die Messmöglichkeiten der elektrisch evozierten Potentiale zu geben und den interessierten Leser auf das geplante DGA-Präsenztutorial vorzubereiten.
Stichwörter: E-BERA, ECAP, Cochlea-Implantat, EABR, E-CERA, EALR Abstract: The registration of electrically evoked potentials of the auditory system is becoming increasingly important in clinical routine. For many years, the measurement of the electrically evoked compound action potentials via the cochlear implant has developed into an indispensable part of audiological diagnostics in the context of quality-assured cochlear implant (CI) provision. Valuable information can be obtained not only during the operation, but also in the postoperative rehabilitation process. The measurement of electrically evoked brainstem potentials via the CI is not yet routinely done by every audiologist but has been in use at some clinics for some time. This method can be applied intra- or postoperatively and enables an objective assessment of the processing of excitation up to the brainstem, which principally enables retrocochlear audiological diagnostics. A corresponding modification of the measurement setup also allows for the registration of cortical potentials. This allows the central auditory perception and processing as well as the maturation of higher levels of the hearing system to be mapped. If an adequate current stimulator and suitable stimulation electrodes are used, brainstem and cerebral cortex potentials can still be registered preoperatively. Particularly in the case of missing residual hearing, this enables objective testing of the electrical stimulability of the auditory pathway. The aim of this article is to give a compact overview of the measurement options for electrically evoked potentials and to “get the readers in the mood” for the planned DGA face-to-face tutorial. Keywords: E-BERA, ECAP, cochlear implant, EABR, E-CERA, EALR
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